Früher, als ich meine BAföG-Anträge ausfüllte, habe ich in der Zeile "Bargeld" immer 0,00€ eingetragen. Das war niemals so richtig gelogen, aber auch nie so richtig wahr. Es ist nicht so, dass ich lauter 100€ Euro Scheine in der Wohnung rumfliegen hatte, aber so 30€ hatte ich meistens doch noch über (ca 20€ davon im Portemonnaie, die restlichen 10€ in lästigem Kleingeld in diversen Hosentaschen und Schubladen, ihr kennt das).
Müsste ich diesen Antrag erneut ausfüllen, könnte ich in der betreffenden Zeile gerade ohne schlechtes Gewissen die 0 platzieren - so nah wie jetzt war ich wohl noch nie am Nichtshaben im Geldbeutel. Ganze 57 Pence Bargeld konnte ich vorhin zusammenkratzen, auf meinem Konto sieht es nicht unbedingt besser aus. Wenn ich in Berlin so nah an der 0 war, habe ich die Pfandflaschen der letzten Monate in der Wohnung zusammengesammelt und bin mit einer Ikeatüte zu Kaisers gelaufen. Ist jetzt nicht so, dass man von einer Transporttasche voller Flaschen reich wird, aber man kann sich doch immerhin ein paar sättigende (nicht zwingend nahrhafte) Lebensmittel davon kaufen.
In England gibt es keinen Pfand. Und günstig einkaufen ist hier auch eher...nunja, schwierig. Oder zumindest umständlich.
Wenn man hier im Urlaub ist, fällt einem natürlich auf, dass London nicht unbedingt sehr preiswert ist, man denkt aber nicht unnötig lange darüber nach, wenn man eine Packung Humus für 1,90£ aufs Band legt. Auch die dazugehörige Packung Crumpets für 1£ wandert wie selbstverständlich dazu. Wenn man im Urlaub ist, spielt der Preis nicht so eine große Rolle. „Ist jetzt nicht gerade günstig“, denkt man vielleicht, aber zahlt trotzdem. Ist schließlich Urlaub und man gönnt sich ja sonst nichts. Eine halbe Stunde später kauft man noch ein lausiges Sandwich für 5£ bei Pret a Manger.
Oh und da noch Nüsse am Straßenrand und ein paar Makis on the go von Wasabi. Auf dem Heimweg benetzt man die trockene Kehle mit einem Pint für 6£ und ist so schnell mal bei 20£ und mehr am Tag für ein paar Lebensmittel, die am Ende des Tages aber nicht mal vollständig satt machen.
Wenn man hier lebt und kein überdurchschnittliches Einkommen hat, muss man schon ein bisschen mehr mit dem zur Verfügung stehenden Geld haushalten.
Für arme Schlucker wie mich gibt es hier in London auch Aldi und Lidl, bedauerlicherweise befinden sich in der Nähe meiner Wohnung aber nur Budgens und Iceland. Neben Budgens ist Iceland ein wahres Schnäppchenparadies, verglichen mit Aldi ist aber selbst Iceland noch eher ein Rewe oder Edeka. Immerhin - ich bin nicht völlig aufgeschmissen - ein nur 45-minütiger Fußmarsch trennt mich vom nächsten Aldi. Es gibt auch einen Bus, der von mir bis zu Aldi durchfährt, elf Stationen lang ist die Fahrt und kostet 1,50£. Das sind drei Packungen Humus der Hausmarke, also laufe ich.
Das Schicksal des am Rande des Existenzminimum lebenden Künstlers teile ich mit meinem Mitbewohner, also sind wir beide darauf bedacht, im Supermarkt keine finanziellen Eskapaden zu betreiben.
Bevor wir loslaufen, essen wir noch eine Kleinigkeit - ein nicht zu vernachlässigender Aspekt wenn man sparsam einkaufen gehen möchte. Im Schnäppchenland angekommen müssen wir uns auf die Sachen besinnen, die wir wirklich brauchen. „Fünf Salatköpfe zum Preis von einem sind nur dann sinnvoll, wenn wir die kommenden 48 Stunden wie Kaninchen leben wollen!“, sage ich, als wir vorm Gemüseregal stehen und Zorni den Korb vollschaufelt. Er kuckt etwas zerknittert, stimmt mir aber zu und legt die Köpfe zurück während ich entschieden nach der Menge greife, die wir auch wirklich aufbrauchen können und wollen (ihr kennt das – man hat Hunger und will sich was zu essen machen, aber der Vorratsschrank gibt nur das her, was man bereits die letzten vier Tage aß und nicht mehr sehen kann). Außerdem sind wir beide innige Fans von Kohlenhydraten und könnten selbst wenn wir wollten, nicht einfach nur Salat essen.
Wir ziehen also bedacht weiter durch
die Gänge des Discounters und packen gewissenhaft den Wagen voll. Am
Ende landen natürlich trotzdem ein paar Dinge im Korb, die
wir eigentlich nicht brauchen. Als wir den Inhalt des Wagens auf das
Laufband verfrachten, stockt mir kurz der Atem, Türme von
Lebensmitteln stapeln sich und ich frage mich, wie es so weit kommen
konnte. Während der freundliche Kassierer in gewohnt langsamer
britischer Manier alles abscannt und bei jedem einzelnen
Artikel den Barcode erst suchen muss, hoffe ich inständig auf eine
Zahl, die meine Kreditkarte noch zu tilgen bereit ist. Wir haben
Glück – drei prall gefüllte Beutel mit Lebensmitteln, die
wenigstens die kommende Woche reichen sollten, kosten uns knapp 30£.
Zufrieden aber ächzend unter der Last
der schweren Tüten stapfen wir aus dem Supermarkt ins Freie und
machen uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Zur Feier des Tages gönnen
wir uns die Busfahrt zurück.