09.07.17

the script

London ist bekanntermaßen nicht besonders günstig, daher wohnt man ohne immensen finanziellen Background normalerweise nicht allein sondern wie in seinen ärmsten Studentenjahren in Wohngemeinschaftem, um die horrenden Mieten zumindest ein bisschen reduzieren zu können.

Ich wohne hier in einem ganz typischen kleinen Klinkerhäuschen mit Vorgarten und Ground Floor Flat sowie Top Floor Flat. In der Ground Floor Flat wohnt eine spanische Familie mit zwei Kindern (die aber durch die Pappmaché-Wände eher klingen wie sechs). Die Top Floor Flat bewohne ich zusammen mit drei Mitbewohnern. Einer davon ist Zorni und die anderen beiden sind Rebecca und Randy.

Rebecca und Randy (von uns zumeist nur R'n'R genannt) sind ein Paar, die ein Zimmer unter dem Dach bewohnen welches ungelogen kaum größer ist als ein britisches Doppelbett. Mal ganz abgesehen davon, dass man in diesem Zimmer nicht viel machen kann, außer einmal auf Zehenspitzen ums Bett herumzulaufen, sind die beiden auch noch mit einer Dachschräge gestraft. Dieses "Zimmer" kann man also auch als eine Art Beziehungsprobe sehen, denn auf ungefähr 4,5qm geht man sich definitiv schnell auf den Sack.

Laut Randy hausen die beiden in diesem Loch nun schon seit drei Jahren glücklich miteinander, ob das stimmt, weiß ich nicht, immerhin sind Zorni und ich erst im Mai dazugezogen. Seit wir hier wohnen, machen die beiden zumindest die meiste Zeit über einen relativ harmonischen Eindruck.
Da A. und ich uns auch mal ein knappes Jahr ein 8qm Zimmer geteilt haben, weiß ich, wie es ist, auf engstem Raum miteinander zu leben. Bei uns hat das sehr gut funktioniert, aber ich bin mir des Konfliktpotenzials trotzdem bewusst.

Jedes Mal wenn die beiden die Treppe zu ihrem Dachboden hochstapfen, schaue ich also mit einer Mischung aus Faszination und Respekt hinterher und frage mich, ob die sie eigentlich glücklich sind oder es eventuell doch in Betracht ziehen, irgendwann als Paar mal die eigenen vier Wände zu beziehen.

Gestern war es hier wieder unerträglich heiß, das Thermometer kletterte auf 31 Grad und brachte unser kleines Klinkerhäuschen ganz schön ins Schwitzen. Da es in der Wohnung irgendwann unerträglich wird, ist es für Zorni und mich zur Routine geworden, abends lange Spaziergänge zu unternehmen, um ein bisschen abgekühlte Abendluft zu schnuppern bevor es dann wieder in den Brutkasten geht. Nach dem Essen haben wir uns verabredet, um 20.10 Uhr wollen wir das Haus verlassen.

Ich bin schon etwas früher fertig und sitze auf dem Treppenabsatz, wo ich auf Zorni warte. Plötzlich dringt lautes Geschrei aus der Dachkammer zu mir herunter und ich schnappe einzelne Satzfetzen auf, die nicht gerade auf ein harmonisches Miteinander schließen lassen. Er redet unaufhörlich auf sie ein und lässt sie nicht zu Wort kommen. Als er endlich mal verstummt brüllt sie mit zitternder Stimme und fleht ihn an, er solle sie doch verstehen und nicht mit alledem allein lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich gar nicht wissen will, womit sich Rebecca allein gelassen fühlt, bin ich auch nicht gerade erpicht auf andere Details dieser lauten Konversation. Mir läuft trotz der Hitze ein kalter Schauer über den Rücken und ich frage mich, wann Zorni endlich kommt.

Zwei Minuten voller Gepolter und Geschrei später steht Zorni endlich neben mir und ich bedeute ihm, dass wir schnellstmöglich losgehen sollten. Auch ihm ist nicht entgangen, dass es bei uns in der Wohnung etwas lauter war als normalerweise. Wir spazieren ein paar Kilometer durch unsere lauschige Nachbarschaft und gehen auf dem Rückweg über die kleine Eisenbahnbrücke hinter unserem Haus. Dort verharren wir noch ein paar Minuten und beobachten die Bahnen, die sich wie Feuerdrachen durch die Dunkelheit schlängeln.

Kurz bevor wir aufbrechen fallen unsere Blicke auf unser Häuschen und wir erkennen, dass noch Licht im Dachgeschoss brennt. "Stell dir vor, wir sehen jetzt plötzlich zwei Lichtblitze im Fenster und hören den dazugehörigen Knall", sagt Zorni, während wir beide auf das kleine glühende Kästchen im dunklen Nachthimmel starren. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll und wir gehen einfach schweigend nach Hause. Als ich im Bett liege, denke ich darüber nach, dass man ja im Grunde genommen mit Fremden zusammenwohnt und nicht weiß, wie die wirklich ticken. Entschieden schüttele ich meinen Kopf und wische diese absurden Gedanken beiseite, die Zornis Kommentar mir eingepflanzt hat.

Am nächsten Morgen muss ich früh raus und mache mich gegen 8.15 Uhr auf den Weg zur Arbeit. Als ich in der Mittagspause auf mein Handy schaue, sehe ich, dass ich eine Nachricht von Zorni habe.
Es ist ein Photo von unzähligen A4 Seiten mit Dialogen, die auf dem Wohnzimmertisch verteilt liegen.

Habe ich erwähnt, dass unsere Mitbewohner Schauspieler sind?


09.06.17

the grocery list





Früher, als ich meine BAföG-Anträge ausfüllte, habe ich in der Zeile "Bargeld" immer 0,00€ eingetragen. Das war niemals so richtig gelogen, aber auch nie so richtig wahr. Es ist nicht so, dass ich lauter 100€ Euro Scheine in der Wohnung rumfliegen hatte, aber so 30€ hatte ich meistens doch noch über (ca 20€ davon im Portemonnaie, die restlichen 10€ in lästigem Kleingeld in diversen Hosentaschen und Schubladen, ihr kennt das).

Müsste ich diesen Antrag erneut ausfüllen, könnte ich in der betreffenden Zeile gerade ohne schlechtes Gewissen die 0 platzieren - so nah wie jetzt war ich wohl noch nie am Nichtshaben im Geldbeutel. Ganze 57 Pence Bargeld konnte ich vorhin zusammenkratzen, auf meinem Konto sieht es nicht unbedingt besser aus. Wenn ich in Berlin so nah an der 0 war, habe ich die Pfandflaschen der letzten Monate in der Wohnung zusammengesammelt und bin mit einer Ikeatüte zu Kaisers gelaufen. Ist jetzt nicht so, dass man von einer Transporttasche voller Flaschen reich wird, aber man kann sich doch immerhin ein paar sättigende (nicht zwingend nahrhafte) Lebensmittel davon kaufen.

In England gibt es keinen Pfand. Und günstig einkaufen ist hier auch eher...nunja, schwierig. Oder zumindest umständlich.
 
Wenn man hier im Urlaub ist, fällt einem natürlich auf, dass London nicht unbedingt sehr preiswert ist, man denkt aber nicht unnötig lange darüber nach, wenn man eine Packung Humus für 1,90£ aufs Band legt. Auch die dazugehörige Packung Crumpets für 1£ wandert wie selbstverständlich dazu. Wenn man im Urlaub ist, spielt der Preis nicht so eine große Rolle. „Ist jetzt nicht gerade günstig“, denkt man vielleicht, aber zahlt trotzdem. Ist schließlich Urlaub und man gönnt sich ja sonst nichts. Eine halbe Stunde später kauft man noch ein lausiges Sandwich für 5£ bei Pret a Manger.
Oh und da noch Nüsse am Straßenrand und ein paar Makis on the go von Wasabi. Auf dem Heimweg benetzt man die trockene Kehle mit einem Pint für 6£ und ist so schnell mal bei 20£ und mehr am Tag für ein paar Lebensmittel, die am Ende des Tages aber nicht mal vollständig satt machen.


Wenn man hier lebt und kein überdurchschnittliches Einkommen hat, muss man schon ein bisschen mehr mit dem zur Verfügung stehenden Geld haushalten.


 Für arme Schlucker wie mich gibt es hier in London auch Aldi und Lidl, bedauerlicherweise befinden sich in der Nähe meiner Wohnung aber nur Budgens und Iceland. Neben Budgens ist Iceland ein wahres Schnäppchenparadies, verglichen mit Aldi ist aber selbst Iceland noch eher ein Rewe oder Edeka. Immerhin - ich bin nicht völlig aufgeschmissen - ein nur 45-minütiger Fußmarsch trennt mich vom nächsten Aldi. Es gibt auch einen Bus, der von mir bis zu Aldi durchfährt, elf Stationen lang ist die Fahrt und kostet 1,50£. Das sind drei Packungen Humus der Hausmarke, also laufe ich.


Das Schicksal des am Rande des Existenzminimum lebenden Künstlers teile ich mit meinem Mitbewohner, also sind wir beide darauf bedacht, im Supermarkt keine finanziellen Eskapaden zu betreiben.


Bevor wir loslaufen, essen wir noch eine Kleinigkeit - ein nicht zu vernachlässigender Aspekt wenn man sparsam einkaufen gehen möchte. Im Schnäppchenland angekommen müssen wir uns auf die Sachen besinnen, die wir wirklich brauchen. „Fünf Salatköpfe zum Preis von einem sind nur dann sinnvoll, wenn wir die kommenden 48 Stunden wie Kaninchen leben wollen!“, sage ich, als wir vorm Gemüseregal stehen und Zorni den Korb vollschaufelt. Er kuckt etwas zerknittert, stimmt mir aber zu und legt die Köpfe zurück während ich entschieden nach der Menge greife, die wir auch wirklich aufbrauchen können und wollen (ihr kennt das – man hat Hunger und will sich was zu essen machen, aber der Vorratsschrank gibt nur das her, was man bereits die letzten vier Tage aß und nicht mehr sehen kann). Außerdem sind wir beide innige Fans von Kohlenhydraten und könnten selbst wenn wir wollten, nicht einfach nur Salat essen.

Wir ziehen also bedacht weiter durch die Gänge des Discounters und packen gewissenhaft den Wagen voll. Am Ende landen natürlich trotzdem ein paar Dinge im Korb, die wir eigentlich nicht brauchen. Als wir den Inhalt des Wagens auf das Laufband verfrachten, stockt mir kurz der Atem, Türme von Lebensmitteln stapeln sich und ich frage mich, wie es so weit kommen konnte. Während der freundliche Kassierer in gewohnt langsamer britischer Manier alles abscannt und bei jedem einzelnen Artikel den Barcode erst suchen muss, hoffe ich inständig auf eine Zahl, die meine Kreditkarte noch zu tilgen bereit ist. Wir haben Glück – drei prall gefüllte Beutel mit Lebensmitteln, die wenigstens die kommende Woche reichen sollten, kosten uns knapp 30£.

Zufrieden aber ächzend unter der Last der schweren Tüten stapfen wir aus dem Supermarkt ins Freie und machen uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Zur Feier des Tages gönnen wir uns die Busfahrt zurück.





 

14.05.17

the visit


13.5.2017;


Nach zwei Tagen und zwei Nächten wird es Zeit, mein Berliner Zuhause und somit A. erneut zu verlassen, es ist Samstagnachmittag und ich gehe sehr pünktlich los, ich brauche jetzt auch nicht mehr so lange nach unten, da ich ja nur noch einen kleinen Handgepäckkoffer bei mir habe und keine 40kg Gepäck. Als ich unten ankomme sehe ich, wie die ältere Dame aus dem Hochparterre versucht, mit ihrem Rollator die Eingangstür aufzubekommen. Ich eile ihr zu Hilfe und halte die Tür auf, bis sie es nach draußen geschafft hat. Das dauert leider so lange, dass ich meine U Bahn verpasse. Glücklicherweise dauert es nur weitere vier Minuten, bis die nächste U7 einfährt und ich mich auf den Weg nach Rudow machen kann. In der Bahn schaue ich nochmal nach, wann ich mit dieser Verbindung am Flughafen ankomme, da ich ja nun inzwischen doch etwas knapp dran bin.

17.10 Uhr komme ich laut App am Terminal an – 30 Minuten bevor Gate und Boarding schließen. „Etwas knapp, aber machbar.“, denke ich. Der Vorteil am Reisen mit Handgepäck ist halt einfach, dass man sich das lästige Einchecken am Flughafen sparen kann. Ich schreibe A., dass ich hoffe, dass an der Securityschlange nicht so viele Leute stehen und ich fix durchkomme. „Ich drück dir die Daumen.“, schreibt er zurück.

In Rudow muss ich nur wenige Minuten auf den Bus warten und steige nach kurzer Zeit ein. „It's time to go, please make your way to gate 65“ erscheint auf meinem Handy.
Wenige Minuten später sind wir endlich nicht mehr allzu weit von Schönefeld entfernt, wir passieren die Stadtgrenze Rudow und kurz darauf bleibt der 171 einfach stehen. „Komisch“, denke ich. „die reguläre Haltestelle liegt doch bereits hinter uns.“
Ich muss gar nicht aus dem Fenster schauen um zu sehen, dass etwas nicht stimmt. Die Reflektion des Blaulichts streift in regelmäßigen Abständen mein Gesicht. Natürlich ist mein Bus voll mit Gaffern, die sofort aufspringen, ihre neugierigen Nasen an den dreckigen Scheiben plattpressen und versuchen zu erspähen, was da draußen so vor sich geht.

Es ist mir total egal, was da draußen vor sich geht, ich will einfach nur, dass der Bus weiterfährt und ich meinen Flieger noch erwische. Natürlich hoffe ich auch, dass außerhalb des Busses niemand verletzt oder plattgefahren auf der Straße liegt.
„Der Bus fährt nicht weiter, Straße ist abgesperrt, Polizei ist da“ tippe ich. A. textet sofort zurück und fiebert mit mir mit. Während die Gaffer noch immer an der Scheibe kleben, obwohl man außer einem Polizeiauto offensichtlich nichts sehen kann, überlege ich, was ich jetzt tun soll. Gerade als ich darüber nachdenke, den Busfahrer zu bitten, die Türen zu öffnen, kommt eine Durchsage: „Dit jeht jetzt hier erstmal ne Weile nich weita wa.“, sagt er und öffnet die Türen. Ich greife mir meinen Koffer und springe aus dem Bus. Als ich den schmalen Gehweg langhetze, sehe ich ein umgekipptes Auto mitten auf der Straße liegen. „Scheiße“, denke ich, bin aber erleichtert, nirgendwo Blut oder einen Leichensack zu sehen.

Als ich nach vorne schaue, sehe ich erst, wie weit der Flughafen noch weg ist. Noch bevor ich anfange zu rennen, schießt mir die Hitze ins Gesicht und mein Herz beginnt zu rasen. Urplötzlich kommt mir mein alter Sportlehrer in den Sinn - als ich mit 21 jungen Jahren damals keine zwei Minuten am Stück laufen konnte und fast in der Halle zusammenbrach, legte er kopfschüttelnd seine Hand auf meine Schulter und sagte: „Sie werden mit 30 nicht mehr allein in einen Bus einsteigen können.“ Damals habe ich gelacht, heute denke ich, er hat vielleicht Recht.

Es ist 17.17 Uhr als ich anfange zu rennen, oder zumindest so schnell vor mich hin zu stolpern, wie es halt geht. 17.27 Uhr erreiche ich nach 1,7km das Terminal und bin schweißüberströmt, am Einlass zur Security Control steht niemand an. „So jeht dit aber nich, Frollein!“, tönt es, als ich gerade mehr oder weniger elegant versuche, unter der Absperrung durchzuklettern um den Weg abzukürzen. Ich werfe ihm einen Blick zu der sagt, dass das absolut nicht witzig ist. „Dit is keen Witz, Frollein!“ sagt er. Leider lacht er dabei nicht. Ich denke, ich spinne und mir fällt vor lauter körperlicher Erschöpfung kein intelligenter Konter ein. Ich entscheide mich mutig dafür, vor seinen Augen trotzdem die Abkürzung zu nehmen und renne einfach so schnell ich kann zur Sicherheitskontrolle weiter. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie er mir durch die Scheibe einen Vogel zeigt. Ich bin schon versucht, ihm einen zurückzuzeigen, als mir einfällt, dass man es sich am Flughafen vielleicht besser nicht mit dem Personal verscherzt. Ich drehe mich einfach um und sehe dabei dem nächsten Problem ins Auge. Es ist nur eine einzige Sicherheitskontrolle offen und vor mir stehen locker 15 Leute. Ich zittere am ganzen Körper und spüre eine leichte Panik aufsteigen. In zehn Minuten schließt das Boarding für meinen Flug und ich bin noch nicht mal im Sicherheitsbereich. Durch die Anstrengung treten mir Tränen in die Augen und mit voller Verzweiflung in der Stimme frage ich, ob mich jemand vorlassen würde. Ich erwarte Reaktionen wie „Na wärste halt ma früher herjekomm'n, denn passiert sowat ooch nich wa.“ oder „Jajaja, zu spät komm'n und denn noch vordrängeln wa.“.

Doch vor mir teilt sich die Menge und alle lassen mich einvernehmlich vor, ich kann mein Glück kaum fassen und mir kullert eine Träne die Wange hinunter. Vor Freude, natürlich. Ich knalle meinen Koffer aufs Band, schmeiße den Laptop und meinen Beutel mit den Flüssigkeiten in die dafür vorgesehenen Schalen und trete durch den Detektor. Natürlich piepse ich und werde ausgiebig kontrolliert. Für die Schnalle an meinem Gürtel interessieren sich wieder alle, dass ich aber 10 Gelkapseln mit Waschmittel in meinem Koffer dabei hab, ist scheinbar in Ordnung.

Nachdem ich all mein Zeug vom Band gesammelt hab, renne ich durchs Terminal, natürlich ist Gate 65 das vorletzte und somit doch relativ weit von mir entfernt.
„This is the final call for passengers on flight EZY8214 to London Gatwick!“, höre ich es durch die Lautsprecher schallen und weiß, dass man beim Final Call nicht nur etwas spät sondern so richtig spät ist. Die große Uhr an der Wand weist mich mit lautem Klicken darauf hin, dass mir noch 60 Sekunden bleiben, ich weiß nicht, woher ich die Energie nehme, meine Puddingbeine die letzten 10 Gates zum Rennen zu bewegen, aber irgendwie komme ich an. Ich klatsche meinen Pass auf den Tresen und ringe um Luft, während der Polizist länger als nötig das Photo mit dem verschwitzten Original vergleicht. Ich schleppe mich die letzten drei Meter Richtung Flugsteig und werde natürlich prompt aufgefordert, meinen Koffer noch aufzugeben, da schon alles voll sei.
Mir ist im Moment eigentlich alles egal, ich will nur wieder atmen können und an Bord des Fliegers gehen. Hektisch krame ich die wichtigsten Sachen aus meinem Koffer und schmeiße alles in meinen kessen Jutebeutel. Ich wanke Richtung Flugzeug und stolpere irgendwie die Treppe hoch.

Auf dem Weg zu meinem Platz durchbohrt ein stechender Schmerz meine Lendengegend. „Scheiße“, denke ich. Smoothie und Mate sind wohl durchgelaufen und wollen raus. Da ich eh schon die letzte bin, gebe ich nun alles um mich weiter unbeliebt zu machen. Ich lege meinen Kram auf meinem Sitz ab und gehe schnurstracks weiter zur Toilette. Nach dem Verriegeln der Tür erschrecke ich mich kurz, als ich mein Spiegelbild sehe. Um den Flugbetrieb nicht weiter aufzuhalten, beschließe ich, mich dann später auf meinem Platz nachzuschminken und pinkel einfach nur schnell.

Die augenrollenden Leute auf dem Weg zurück ignoriere ich gekonnt und lasse mich in meinen Sitz fallen. Ich schnalle mich an und schmeiße meinen Beutel unter den Vordersitz. Wir rollen schon langsam Richtung Startbahn als ich A. noch schnell ein „Ich liebe dich!“ schicke, dann schalte ich mein Telephon in den Flugmodus und atme tief durch.